„Mach mal schön!“
Wie häufig habe ich diesen Satz schon in meiner Laufbahn als Grafik-Designerin gehört: Morgens 9 Uhr, von meinem Kollegen aus dem Vertrieb bekomme ich eine PowerPoint-Präsentation vor die Füße gekippt. „Du hast bis 11 Uhr Zeit, dann muss ich die Angebotspräsentation halten“ und „Das muss alle flashen!“, sind die nächsten Sätze, die ich zu hören bekomme.
Ich schaue mir die Folien durch. 30 Charts, übervoll mit einer 9-Punkt-Schrift eng beschrieben. (Im Printbereich hat man früher dazu „Bleiwüste“ gesagt… ist lange her…) Hier und da wurden Grafiken und kleine Bilder reingequetscht, die sich mir inhaltlich nicht erschließen. „Der Kollege ist ein schlimmer PowerPoint-Messie“, denke ich mir, „Oje, was soll ich daraus bloß machen?“.
Die Aufgaben einer Grafik-Designer*in
Aufräumen, sortieren, Überflüssiges wegschmeißen, Wichtiges herausstellen, dabei maximal großzügig und konsequent radikal vorgehen. Ungewöhnlich sein, mutig werden und für Überraschungen und vor allem für Inspiration sorgen. Genau das sind im Großen und Ganzen die Kernaufgaben einer Grafik-Designer*in. Das bezieht sich nicht nur auf die Gestaltung von PPT-Präsentationen, sondern auf alle Kommunikationsmedien: Webseiten, Broschüren, Flyer, Social Media, Erklärvideos etc.
Klar, ist das natürlich nicht alles. Neben dem ganzen Aufräumen und Sortieren sollte man sich perfekt und sicher in Farb-, Stil-, Schrift- und Bildwelten auskennen. Ein gutes Gespür für Größenverhältnisse und für das Layouten (Wohin kommt was, und wenn, wie groß) im Allgemeinen ist ebenso wichtig.
Immer nur eine Aussage treffen
In meinem Beruf geht nicht nur darum etwas schön einzufärben. Als erfolgreiche Grafikerin muss ich lesen und verstehen. Ich muss Content einordnen und zuordnen können. Bei hochkomplexen Inhalten gelingt das nicht immer, aber zumindest muss ich es versuchen und den Content auf ein mir verständliches Niveau grafisch herunterbrechen. Das gelingt am besten, wenn man Stück für Stück vorgeht und in klaren Abläufen denken. Eine Aussage pro Chart oder Seite ist ausreichend. Dramaturgisch Denken und Spannung stetig aufbauen. Das macht eine gute Gestalter*in aus!
Wenn du viel Text schreiben willst, dann schreib halt ein Buch oder ein Paper. Wenn du aber in der Kommunikation „flashen“ willst, dann gelten immer noch die alten Sprüche-Klassiker: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ und „Wer viel schreiben muss, kann sich nicht ausdrücken.“
Zum Schluss war der Kollege angenehm überrascht, aber auch ziemlich irritiert. Die Charts sahen jetzt super aus, aber das Resultat hatte fast nichts mehr mit seinen Folien gemein. Schlussendlich viel es ihm leichter seine Präsentation zu halten. Er hat sich inhaltlich besser zurechtgefunden und konnte dadurch freier reden. Bei seinem Publikum sorgte er für den Aha-Effekt. Er konnte sie „flashen“ und dieses Mal ist keiner vor Langeweile oder Überforderung ausgestiegen.
Nicole Kruse